Finanzielle Stabilität von Nonprofit-Organisationen: Erster Teilbericht zum Forschungsprojekt: Konzepte, Messung, Richtwerte, Gestaltungsempfehlungen.

Publikation: Buch, Herausgeberschaft, BerichtForschungsbericht/Gutachten

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Abstract

Das Konzept der finanziellen Stabilität bezeichnet einen wichtigen Aspekt der finanziellen Gesundheit von Nonprofit-Organisationen (NPOs). Es unterscheidet sich von verwandten Konzepten wie finanzieller Kapazität, Resilienz oder Nachhaltigkeit. Finanzielle Stabilität bezeichnet die Fähigkeit einer Organisation, unerwartete negative Ereignisse zu überstehen, ohne in finanzielle Notlage zu geraten. Das Fehlen finanzieller Stabilität wird als finanzielle Vulnerabilität bezeichnet.

In diesem Bericht werden die verschiedenen Dimensionen der finanziellen Stabilität dargestellt und forschungsbasierte Empfehlungen zur Bewertung finanzieller Stabilität gegeben.

Die Bewertung der finanziellen Stabilität von Nonprofit-Organisationen ist ein relativ neues und sich entwickelndes Forschungsgebiet. Folgende Aspekte, sind als besonders relevant hervorzuheben und können in Verbindung miteinander zur Bewertung empfohlen werden:
• Die Reservenquote gibt das Verhältnis zwischen freien Rücklagen und Umsatz an. Sie zeigt, wie lange eine Organisation den Betrieb unverändert aufrechterhalten könnte, wenn Einnahmen vollständig ausblieben (aus der Forschung ableitbare Richtwerte: 3-12 Monate, je nach Organisationsgröße und Volatilität der Einnahmen)
• Das Eigenkapital-Umsatz-Verhältnis gibt im Gegensatz zur Reservenquote Aufschluss darüber, inwieweit eine Organisation einen finanziellen Schock verkraften könnte, indem sie möglicherweise Änderungen an ihrer Arbeitsweise vornimmt. Das Verhältnis zeigt an, inwieweit eine Organisation Eigenkapital nützen könnte, um sich im Fall finanzieller Probleme aus eigener Kraft zu erholen (in der Forschung ermittelte Richtwerte: ca. 80-90%).

Organisationen mit unzureichenden Reserven sind als hochgradig vulnerabel anzusehen.

Zentral zur Vulnerabilitätsbeurteilung sind weiters folgende drei Aspekte der Liquiditätsanalyse:
• Die Liquidität gibt Auskunft über die unmittelbare Zahlungsfähigkeit der Organisation (Richtwert: mind. 100% liquide).
• Die Kapitalstruktur gibt Auskunft über das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital und damit die strukturelle (langfristige) Liquidität (Richtwert: mind. 50% Eigenkapital).
• Die fiktive Schuldentilgungsdauer zeigt, wie lange die Organisation benötigen würde, um ihre Schulden vollständig zu tilgen, wenn sie alle verfügbaren Finanzmittel zur Schuldentilgung verwenden würde (Richtwert: max. 15 Jahre).
Organisationen, die bei einem oder mehreren dieser Aspekte problematische Werte aufweisen, sind in Österreich mitunter schon allein aus rechtlichen Gründen als finanziell hoch vulnerabel einzustufen.

Darüber hinaus ist auch die mittelfristige finanzielle Entwicklung der Organisation zu berücksichtigen:
• Veränderung des Eigenkapitals: Einzelne negative Jahresergebnisse und daraus folgende Reduktionen des Eigenkapitals könne und dürfen bei NPOs vorkommen; dies zu ermöglichen ist ja Sinn des Konzepts finanziel-ler Stabilität. Wenn jedoch das Eigenkapital über mehrere Jahre hinweg sinkt (Richtwert: 3 Jahre), so ist das ein ungünstiges Zeichen.

Organisationen, deren Eigenkapital über einen längeren Zeitraum abnimmt, sind daher bei ansonsten unproblematischen Verhältnissen als finanziell leicht vulnerabel einzustufen.

Auf Basis der Analyse des Stands der Forschung kommen wir zu folgenden Gestaltungsempfehlungen:
- Betriebliches Rechnungswesen: NPOs benötigen ein angemessenes und sinnvoll digitalisiertes betriebliches Rechnungswesen einschließlich einer Vermögensübersicht (Bilanz) für fundierte finanzielle Einschätzungen.
- Capacity Building: Fördergeber und Impact-Investoren sollten kleinen und wachsenden NPOs Unterstützung beim Aufbau eines adäquaten Rechnungswesens anbieten.
- Diversifizierung der Einnahmequellen: NPOs sollten ihre Einnahmequellen diversifizieren, um unabhängiger von einzelnen Finanzierungsquellen zu werden und finanzielle Risiken zu reduzieren.
- Verringerung des Verwaltungsaufwands bei verschiedenen Finanzierungsquellen: Geldgeber könnten die Diversifizierung fördern, indem sie Antragsverfahren und Berichtspflichten vereinheitlichen.
- Angemessene öffentliche Förderung: Die Höhe der öffentlichen Förderung sollte finanzielle Stabilität ermöglichen; Unterfinanzierung sollte vermieden werden.
- Notfallreserven: NPOs sollten entsprechend ihrer Größe und der Volatilität ihrer Einnahmen über angemessene freie Reserven verfügen. Insbesondere wenn diese relativ hoch sind, sollten sie dem Organisationszweck entsprechend angelegt werden, z.B. in Form von ethischen oder nachhaltigen Investments.
- Slack nutzen: Wenn Organisationen mehr als nur nicht vulnerabel sind, sondern auch finanzielle Kapazität in Form von Slack haben, dann sollen sie diese Kapazität möglichst produktiv nutzen. Beispielsweise kann eine gesunde Eigenkapitalbasis genutzt werden, um zusätzlich Fremdkapital für Investitionen zum Ausbau des Angebots aufzunehmen.
OriginalspracheDeutsch
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2024

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