Wo ein Wille, da ein Weg? Studie zur baulichen Barrierefreiheit in Betriebsstätten von Unternehmen und Nonprofit Organisationen in Ostösterreich

Selma Sprajcer, Christian Schober

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Abstract

2006 wurde das Projekt "ÖZIV ACCESS Gleichstellungsberatung" unter der Förderung
des damaligen Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) ins Leben gerufen mit dem Ziel, private Wirtschaftstreibende und öffentliche
Organisationen, beratend und unterstützend bei der Umsetzung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetztes zu begleiten. Seit damals wurden rund 80 entgeltliche und 50 unentgeltliche Beratungen durchgeführt,
wobei Beratung für die Gestaltung barrierefreier Betriebsstätten und behindertengerechter
Arbeitsplätze weder nachgefragt noch gewünscht wurde.
In Anbetracht steigender Zahlen von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung bzw. begünstigt
behinderter Personen, ging die vorliegende, vom Österreichischen Zivil-Invalidenverband und dem NPO-Institut durchgeführte Studie, folgenden Fragestellungen
nach:
- In welchem Ausmaß sind Betriebsstätten in Ostösterreich barrierefrei zugänglich?
- Inwieweit besteht seitens der Unternehmen Bereitschaft in barrierefreie Betriebsstätten zu investieren?
- Besteht bei den Unternehmen Unterstützungsbedarf hinsichtlich des Abbaus von Barrieren für Menschen mit Behinderung in Betriebsstätten?
Methodisch wurden erstens Leitfadeninterviews mit verantwortlichen Personen in Unternehmen in vier Branchen und NPOs geführt. Zweitens wurde zur Beurteilung
der baulichen Barrierefreiheit eine Begehung von 1-2 Betriebsstätten des Unternehmens bzw. der NPO durchgeführt.
Ergebnisse der Studie: Insgesamt gesehen, stehen die betrachteten Unternehmen und NPOs einer Beschäftigung
von Personen mit Behinderung positiv gegenüber und beschäftigen auch MitarbeiterInnen mit Behinderung. Der Großteil dieser MitarbeiterInnen zählt jedoch zu
langjährigen Angestellten, die im Laufe ihrer Tätigkeit eine Behinderung bekommen haben. Die Verantwortung zur Finanzierung von notwendigen Umbauten sehen die
meisten befragten Personen großer Unternehmen beim Unternehmen selbst. Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) wie auch NPOs sehen zumindest eine Teilverantwortung beim Staat. Über die Fördermöglichkeiten sind die meisten jedoch
schlecht oder nicht informiert.
Neueinstellungen von Personen mit Behinderungen werden von der Mehrheit mit Skepsis betrachtet. Die Skepsis wird mit Begründungen wie zu rigider Kündigungsschutz und zu hohe Leistungsanforderungen an die MitarbeiterInnen argumentiert.
Zudem gäbe es auch eine zu geringe BewerberInnenzahl. Dies zeigt, dass (mangelnde) bauliche Barrierefreiheit nur ein Aspekt in Zusammenhang mit der Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt darstellt.
Nichtsdestotrotz wird bauliche Barrierefreiheit in erster Linie für den Kundenbereich angestrebt und v.a. in Verkaufsfilialen im außerstädtischen Bereich oder in Industriegebieten umgesetzt. Bei MitarbeiterInnen mit Behinderung erfolgt eine individuelle Anpassung des Arbeitsplatzes oder der Aufgabenbereiche an ihre jeweiligen Bedürfnisse. Dabei werden allfällige Umbaumaßnahmen innerhalb der Unternehmens- und Organisationsstruktur schnell entschieden und genehmigt. Bei der Begehung der untersuchten Objekte hat sich gezeigt, dass drei Viertel der
sechzehn begangenen Gebäude sogenannten K.O.-Barrieren aufweisen also von Menschen mit Behinderung nicht genützt werden können. Die häufigste K.O.- Barriere sind fehlende barrierefreie Sanitäranlagen oder Stufen vor Eingängen und
betreffen vor allem Personen mit Mobilitätseinschränkung.
In allen vier untersuchten Branchen wird die Gruppe mobilitätseingeschränkter Personen, am häufigsten durch Barrieren behindert. Am zweitstärksten sind Personen
mit Sehbehinderung sowie blinde Personen betroffen.
Im Hinblick dessen, dass das Thema "Barrierefreiheit" auch in Zukunft, nicht zuletzt durch die alternde Bevölkerung, eine zunehmend größere gesamtgesellschaftliche
Rolle spielen wird, ist es vergleichsweise noch schlecht verankert.
Maßnahmen zur Sensibilisierung sollten jedoch nicht nur bei Verantwortlichen in Unternehmen und NPOs angesetzt werden. Die notwendige Akzeptanz für ArbeitnehmerInnen
mit Behinderung betrifft nicht unwesentlich auch KundInnen und somit letztlich die Gesamtbevölkerung (...). (executive summary)
OriginalspracheDeutsch (Österreich)
Herausgeber (Verlag)WU Vienna University of Economics and Business
ErscheinungsortVienna
PublikationsstatusVeröffentlicht - 1 Dez. 2009

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